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Auch Musikschulen brauchen einen Digitalpakt

Während der Digitalpakt für allgemeinbildende Schulen nur schleppend voran kommt, treten die Musikschulen beim Thema Digitalisierung vollkommen auf der Stelle.

Wer bildet die Musiker von Morgen aus?

Musikschulen erfüllen viele wichtige Funktionen für unsere Gesellschaft. Durch das Erlernen musikalischer Kompetenzen entwickeln Kinder und Jugendliche Selbstbewusstsein, sie sensibilisieren ihr ästhetisches Empfinden und sie bauen dadurch Hürden beim Zugang zu Kultur ab. Auch soft skills wie Teamfähigkeit und Selbstorganisation werden durch die Teilnahme an Musikschulkonzerten oder Chorproben aufgebaut. Und nicht zuletzt sollen Musikschulen auch einen Beitrag dazu leisten, die Musiker von Morgen auf den richtigen Weg zu schicken. Doch was braucht ein Musiker heute und in der Zukunft? Solide Fähigkeiten an den Instrumenten sind eine wichtige Grundlage. Und was sind die Instrumente von Morgen?

Blick in die digitale Musikschule: Computer und digitale Controller mit denen wie auf einem Instrument musiziert wird.

Ein riesiger Umbruch ist in Gange: Drum Computer und Syhnthesizer haben längst die Popularmusik erobert. Allerdings ist diese Revolution bereits fast ein halbes Jahrhundert her. Und der Sturm der Digitalisierung fegt seit Beginn des Jahrtausends durch die Musiklandschaft und hat die nächste Epoche eingeleitet. Software und Plugins stehen nicht nur in den Tonstudios. Sie sind für jeden bezahlbar und die ersten Welthits sind längst in den Schlafzimmern der kreativen „Musik-Nerds“ entstanden. Ohne Tonstudio. Ohne Starproduzenten. Die Kids von heute machen das alles selbst. Und wer bringt es ihnen bei?Jedenfalls nicht unsere Musikschulen! Hier wird weiter unterrichtet wie vor 20 Jahren. Mit Klavierbank und Notenheft. Immerhin e-Gitarre haben die meisten Musikschulen im Angebot. Und hin und wieder findet sich auch ein Keyboardlehrer. Doch was ist mit Beats produzieren, Synthesizer Sounds schrauben und Musiksoftware bedienen? In Berlin beispielsweise gibt es derzeit nur eine einzige Musikschule mit einem Angebot, dass sich mit digitaler Musikproduktion beschäftigt.

Die Musik ändert sich – die Schulen machen weiter wie immer

Ein Blick in die Top 10 der aktuellen deutschen Musikcharts (24.02.20) macht nachdenklich. Nur bei einem der zehn Songs kann ich überhaupt ein konventionelles Instrument hören. Doch spätestens im Refrain werden auch bei „Don’t start now“ von Dua Lipa die funky Bassgitarre und das Billie Jean Schlagzeug durch Disco Claps aus dem Drum Computer und einen Synth Bass abgelöst. Dass diese Entwicklung nicht jedem gefällt steht außer Frage. Viele meiner Musikerfreunde können mit den Charts schon lang nicht’s mehr anfangen. Doch auch abseits des Pop-Mainstreams steht die Zeit nicht still. Der Sound ändert sich. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Denn Musikkultur ist ständig in Bewegung. In ihr spiegelt sich der Wandel der Gesellschaft wider. Der Zeitgeist ist hörbar!

Wenn die Musikschulen also auch in Zukunft eine Geige in der Kulturlandschaft spielen wollen, muss etwas passieren. Der Wandel lässt sich nicht aufhalten. Allenfalls beeinflussen. Wenn wir Musikpädagogen unsere ästhetischen Ansprüche an die nächste Generation weiter geben möchten, müssen wir mit ihrer Sprache sprechen. Das heißt im Klartext: Wir müssen uns mit den Musik-Technologien beschäftigen, mit denen „die Jugend“ schon jetzt viel selbstverständlicher und sicherer umgeht als wir!

Für die Musikschulen bedeutet es, dass Angebote entstehen müssen, die über den traditionellen Instrumente-Kanon hinaus gehen. Ob in Gruppenkursen für Musikproduktion oder als Teilkomponente des klassischen Einzel-Instrumentalunterrichts. Es gibt viele Möglichkeiten Digitalisierung in der Musikschule gewinnbringend einzubinden.